Kulturwüste: Ein "Louvre" für Abu Dhabi - Frankreich deportiert europäische Kultur
Interkultureller Dialog oder "Perlen vor die Säue"? - Ende 2015 wird in Abu Dhabi eine Art Niederlassung des Louvre eröffnet werden. Steinreiche Ölscheichs, bemüht ihren Wüstenflecken und sich international Geltung zu verschaffen, investieren Unsummen für Imitate. Wobei auch hier die Marke "Louvre" allemal wichtiger ist als die Kunst, die als Dauerleihgaben aus den ersten Häusern Frankreichs, ergänzt durch private Sammlerstücke und zensuriert durch "seine Exzellenz" zu sehen sein wird.
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Parisbesuchern den Louvre zu empfehlen, ist wie Eulen nach Athen oder Bier nach Bayern zu tragen. Eine Sondersaustellung im Saal Napoléon des Musée du Louvre vom 2. Mai bis 28. Juli 2014 macht aber besonders hellhörig. Sie ist betitelt mit "Geburt eines Museums" und zeigt, so die Ankündigung des Tourismusbüros des Öl- und Wüstenemirats, "160 der spektakulärsten Kunstwerke aus der ständigen Sammlung des Louvre Abu Dhabi". Es ist eine Abschiedsfeier.
Gestrandetes Ufo der Kultur
Die Anfrage einer gewissen Familie Zayed aus Abu Dhabi , traf in Paris umgehend auf offene Ohren, denn überall in Good Old Europe sind die Kassen knapp. Was den Wüstenprinzen an Kultur fehlt, fehlt den Museumsleitern in der Kasse. Also beschloss man 2007 einen Deal: Abu Dhabi baut für rund 100 Mio. EUR im "Saadiyat Island" Kulturdistikt (für die Kultur gibt es da unten also einen eingegrenzten Bezirk, so wie anderswo ein Rotlichviertel) einen Museumsneubau. Dabei verstecken die Pavillions, Gassen und Gebäude des "französichen Star-Architekten Jean Nouvel" ihre 24.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche nicht zufällig unter einer 180 Meter messenden Kuppel, die dem Ensemble den Eindruck eines soeben gelandeten Ufos verleiht, auch wenn sie "Traditionen arabischer Architektur" vorgaukeln soll. Dass es sich um ein architektonisches Prachtsück handeln könnte, mag sogar stimmen, allein sein Zweck und der Ort sind nicht stimmig, nicht einmal nach einer Kiste franzöischen Weins unter der Sonne Arabiens...
Europäische Kultur ist eine außerirdische Erscheinung im Reich der Scheichs, der Kunstverstand der Herrscher hängt in Privatgalerien oder ist in Tresoren eingesperrt. - Doch der eigentliche Deal ist ja auch der Markenankauf: der Louvre war für rund 400 Mio. EUR Lizenzgebühr bereit, sein Label zu vergeben und erhält weitere 600 Mio. EUR dafür, das Haus mit Kunst, Leben und Sinn zu erfüllen. Jaques Chirac selbst begrüßte den Meileinstein, der Louvre sei die richtige Wahl der Scheichs gewesen und Sarkozy, naja, der fand das alles auch trés chic: Naturellement, monsieur le president!
Werke werden dauerhaft in die Wüste deportiert
Auf zwangsläufige Kritik der europäischen Bohème, "man könne doch nicht...", beruhigte das Pariser Kulturministerium, dass keines der "derzeit gezeigten 32.000 Exponate" aus Louvre, d´Orsay etc. "jemals verkauft werde", egal wohin. Das sagt aber noch nicht, dass man nicht in den reichbestückten Depots wildern geht und auch der Hinweis, dass die heuer im Saal Napoléon gezeigten 160 Werke zum künftigen Dauerbestand in Abu Dhabi gehören werden, heißt, dass man von einigen Meisterwerken für lange Zeit Abschied nehmen darf: "Exponate von der Antike bis zur Gegenwart, darunter eines der beeindruckendsten Beispiele einer stehenden „baktrischen Prinzessin“ aus dem Ende des 3. Jahrtausends v. Chr., ein 3.000 Jahre altes, mit einem Löwenkopf verziertes Goldarmband aus dem Nahen Osten sowie Paul Gauguins Gemälde „Ringende Kinder“ aus dem Jahr 1888. Zu den zeitgenössischen Werken zählen ein Piet Mondrian, der zuvor Teil der Sammlung von Yves Saint-Laurent und Pierre Bergé war, ein Gemälde von Alexander Calder und eine Serie von neun Gemälden des Gegenwartskünstlers Cy Twombly."
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Abu Dhabi Tourism zum Projekt: "Der Louvre Abu Dhabi entsteht im neuen Cultural District auf Saadiyat Island, in direkter Nachbarschaft zu den ebenfalls in Bau befindlichen Museen Guggenheim Abu Dhabi und Zayed National Museum. Der vom Star-Architekten Jean Nouvel entworfene Museumsbau wird seinen Schwerpunkt auf klassische Kunst legen. Es zeigt Gemälde, Skulpturen, Kunstgewerbe, Handschriften und Gegenstände mit historischer, kultureller und soziologischer Bedeutung von der Antike bis zur Gegenwart. Das aus verschiedenen Elementen, wie Pavillons, Plätzen, Gassen und Kanälen, bestehende Gebäude, wird den Eindruck einer auf dem Meer treibenden Stadt erwecken. Das auffälligste Merkmal des Louvre Abu Dhabi wird eine von der traditionellen arabischen Architektur inspirierte Kuppel sein. Sie wird einen Durchmesser von 180 Metern haben und mit aufwändigen, an Palmwedel erinnernden Perforationen verziert sein, die das einfallende Licht zerstreuen..."
Kulturexport als Friedensstiftung?
Nun kann man hin und her philosophieren, ob das Projekt nicht einfach die logische und friedliche Fortsetzung des "Kulturexports" darstellt, den die Araber vor eintausend Jahren - damals kulturell deutlich überlegen - bis nach Südeuropa trugen, bevor die katholischen "Kulturbewahrer" ihnen den Garaus machten oder der europäische Kulturexport vielleicht die arabischen Gemüter auf die Straße der Aufklärung zu führen in der Lage wäre. Und ist ein solcher Kulturaustausch zwischen den Völkern nicht befruchtend und ohnehin bauen nicht wenige Exponate, ja ganze Museen in Europa auf den Schätzen des Nahen und Mittleren Ostens auf.
Doch während man noch darüber nachdenkt, schuften in den Emiraten die Gastsklavenheere, werden Frauen und Oppositionelle gegängelt und / oder verfolgt und spielen die protzenden Geldsäcke ihr schmutziges Spiel im globalen Ölpoker, einschließlich der Kriege, die man darin führt.
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Der Tourismusscheich und Frankreichs damaliger Präsident Sarkozy versenken die Zeitkapsel vor der Grundsteinlegung...
Die Scheichs entscheiden, was kulturell genehm ist
Wäre man konsequent, müsste Europa Museen in Bagdad, Kairo, Damaskus, Tunis bauen, selbst bestücken und den Machthabern dieser Länder ein Hausverbot erteilen, während das Volk lebenslangen freien Eintritt genösse. Das hätte etwas von Kultur! Was macht das franzöische Kulturdezenerat? Man habe in vertrauensvollen Gesprächen geklärt, dass kulturelle Konfliktbereiche (gemeint sind z.B. Nackige oder Polit-Kunst) sensibel besprochen werden. Lies: die Scheichs als Hüter von Glauben, Moral und Anstand, bestimmen, wer hängen darf, so wie sie im richtigen Leben bestimmen, wer hängen muss.
Wettlauf der Geldproleten auf den Einkaufsmeilen Europas
Die Angst der franzöischen Touristiker, dass ein "Louvre" in Abu Dhabi zahlungskräftige, saudi-arabische und andere Touristen der Region aus Paris fernhalten könnte, da man ja die Präziosen nun voll durchklimatisiert vor Ort bewundern kann, ist unberechtigt. Denn: die Scheichs und ihre Familien kommen trotzdem nach Europa, sie bleiben auch hier überwiegend kulturbefreit, denn sie kommen nur wegen des erträglichen Klimas und zum Shoppen, wobei schon die lieben Kleinen gerne mit 500-EUR-Scheinen bewaffnet und von Bodyguards beschützt durch die Einkaufsmeilen Europas randalieren und sich damit einen "kulturellen" Wettstreit mit den russischen und angrenzenden Oligarchen-Proleten um das kulturloseste Benehmen liefern, der bis heute nicht entschieden ist. Im Louvre schaffen sie es gerade bis zur Mona Lisa und in den Andenken-Shop. Sie leben sozusagen ihre Kultur aus.
Phallussymbol statt Kulturträger
"Seine Exzellenz Scheich Sultan bin Tahnoon Al Nahyan", u.a. Chef der Tourismus- und Kulturaufsicht, TCA Abu Dhabi, sagt: der Louvre Abu Dhabi würde "ein Ort des interkulturellen Dialogs und Austauschs". Doch für interkulturellen Austausch bedarf es mindestens zweier Kulturen. Wenn aber die Ölmagnaten der Welt unwidersprochen behaupten dürfen, sie seien Vertreter der Kultur ihrer Länder und die Verwalter der europäischen Kultur mit diesen Geschäfte machen, dann ist das kein interkultureller Dialog, sondern einfach nur ein Deal. Das kann man so sagen und hinnehmen, aber man muss es wirklich nicht behübschen.
Ein "Louvre" in Abu Dhabi ist nichts weiter als ein weiteres Spielzeug der Scheichs, ein Sammlerstück, ein Prestigeobjekt, ein Phallussymbol und in etwa so kulturstiftend wie eine künstliche Insel in Palmenform, ein Skihang in einer Halle oder jede x-beliebige Shoppingmall. Was immer Frankreich - außer dem Geld - noch im Sinn hatte: letztlich deportiert man Kunst in die Wüste, denn die Kultur verläuft sich dort buchstäblich im Sand...
m.s., März 2014
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