Ein Flirt mit dem Atlantik Von Sintra bis zum Cabo da Roca
Dass der Palácio Nacional da Pena mit “Palast des Kummers” zu übersetzen sei, ist, auch wenn er viel Kummer gesehen, eine hartnäckige Legende der Reiseliteratur. Knapp 30 Kilometer vor Lissabon, am westlichsten Zipfel Europas, finden wir das “Portugiesische Neuschwanstein”, architektektonisch betrachtet, eine Scheußlichkeit so anziehend wie ein Verkehrsunfall - man kann einfach nicht wegsehen. Die bewegte Geschichte gibt dem Ort Bedeutung, die Landschaft und der Nahe Atlantik Erhabenheit.
Er war ein geschickter Karrierist, der in Wien geborene Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg Gotha, der 1836 die verwitwete portugiesische Königin Maria II. ehelichte und damit das Haus Coburg-Braganza gründete, dass bis zum Ende der Monarchie in Portugal, 1910 regierte. Arrangiert hatte die Hochzeit Onkel Leopold, König von Belgien, der gleich noch eine fürstliche Apanage vereinbarte, die sich bei Lieferung eines Thronfolgers verdoppelte. Ferdinand war also eine Art königlicher Leihvater.
Dass ihm “das Volk” später den Beinamen der “Künstlerkönig” vermachte, zeugt angesichts seiner “Leistung” in Sintra nicht gerade vom Volksgeschmack, kann aber, kennt man den subtilen Humor der Portugiesen, auch von leiser Ironie gemacht sein. Immerhin schenkte “der Deutsche” ihnen einen Thronfolger, 1853 starb die Königin, 1862 bot man ihm zuerst den griechischen, dann den spanischen Thron an. Beide lehnte er, die Unbeherrschbarkeit dieser Aufgabe ahnend ab. In Portugal war Ferdinand II. nicht der Souverän, das war ein von lokalen Größen dominiertes und unter den alten Familien des Landes aufgeteiltes Scheinparlament. Ferdinands Aufgabe bestand im Wesentlichen darin, niemanden zu kurz kommen oder zu groß werden zu lassen, man erfand die Rotation als Staatsform, sie ging als “Rotativismo” in die Geschichtsbücher ein.
Es führte hier zu weit, das epische Chaos zu erzählen, von dem Portugal das ganze 19. und frühe 20. Jahrhundert geschunden wurde, kurz: 1908 wurde der König, Ferdinands Sohn und dessen Gattin erschossen, Enkel Manuel II. verwaltete noch zwei Jahre den Untergang. Der (wahrscheinlich nicht politisch motivierte) Mord an einem Republikanerführer führte zum Aufstand und stürzte den portugiesischen Thron nach 770 Jahren Existenz endgültig, Manuel zog sich in den trüben Stunden des Machtverlustes nach Sintra zurück, lebte hier wie ein Verbannter im eigenen Land.
Am Vormittag wabern durch die Serra de Sintra dicke Wolken. Während die meisten Touristen die Auffahrt mit einem Elektrogefährt wählen, lohnt der Aufstieg per pedes durch einen wildromantischen, waldartigen Park.
So scheußlich, dass man gar nicht wegschauen kann. Im Kern stehen die Reste eines Klosters aus dem 16. Jahrhundert, darum schloss sich eine barocke (spätmanuelinisch) Schlossanlagen an. Dann kam das große Erdbeben von 1755 und ließ auch hier kaum einen Stein auf dem anderen. http://www.parquesdesintra.pt/
Ferdinand II., der Deutsche auf der Portugiesen Thron, verliebte sich sofort in die Landschaft, immerhin verbachten die Könige im Schloss des Ortes Sintra bereits seit dem 14. Jahrhundert ihre Sommer. Er befahl den Ausbau, niemand hielt ihn auf...
Das kam dabei heraus. Ein Sammelsurium an Baustilen, Anklänge an die maurische Geschichte, manuelinische Elemente sowie die grausliche und irgendwie typisch deutsche Burgenromantik.
In der Anlage sind ausführliche Rundgänge möglich, man bekommt so ein 360-Grad-Panorama der großartigen Hügellandschaft.
In der linken Bildhälfte sehen wir die Ruine einer maurischen Festung, 1139 war hier schon Schluss mit den Berberesken und Arabern, deutlich früher als in anderen Regionen der iberischen Halbinsel, in der die Reconquista noch über 400 Jahre andauerte.
Der innerste Bebauungsring, der Hof eines Klosters, hier Azujelos aus dem 16. und 17. Jahrhundert.
Die Bandbreite der Ausgestaltung reicht von allegorisch-wuchtig...
...bis arabesk-verspielt, wobei man hier, im innersten Hof kaum erkennt, was noch alt, was nachgemacht ist.
Zurück im Ort Sintra, am Fuße des Palacios gibt es eine Reihe annehmbarer Gasthäuser, wir gingen, wie stets einige Straßen weiter und wurden mit einem versteckten Gartenlokal belohnt wo wir - ausnahmsweise - einmal keinen Fisch orderten. Die Abwechslung hat sich gelohnt, eine Schweinsterrine mit Gemüsen und Kartoffeln in Weißwein aus dem Ofen. Gute Qualität für wenig Geld, typisch in Portugal.
Das ist der Stadtpalast von Sintra, Residenz der Könige seit Jahrhunderten, ein verschachteltes Renaissancebauwerk mit seinen zwei markanten Kegeln, es sind die Schornsteine der Schlossküche.
Ein paar Kilometer weiter kommt man nicht nur an den Atlantik, sondern auch an den westlichsten Festlandspunkt Europas, das Cabo da Roca, Felsenkap. Hier geht stets ein heftiger Wind.
Zerklüftete Felsformationen und richtige, wirklich richtige Wellen, lassen einen das Ende des Kontinents spüren, hier lässt sich relativ gefahrlos etwas herumklettern.
Dagegen ist das Mittelmeer nur eine Badewanne. Der Weg vom Felsenkap, den Ozean entlang Richtung der mondänen Küstenorte Cascais und Estoril auf der Rückreise nach Lissabon, lohnt u.a. durch solch grandiose Bilder.
2013
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