Audienz bei der Moreneta - Ausflug zum Kloster Montserrat bei Barcelona
Es ist das Heiligste der katalanischen Nation, Symbol für den Widerstand und die Unabhängigkeit seiner Bürger und das, obwohl es tief katholisch ist. Auch die atemberaubend gelegene Klosteranlage in den Bergen des Montserrat bleibt von den Profanitäten der übertouristisierten Welt nicht verschont, lohnt aber dennoch einen Besuch.
Rund 40 Kilometer nordwestlich von Barcelona erhebt sich das Gebirgsmassiv des Montserrat, dt.: gesägter Berg. Sandsteinformationen, die sich bis 1.200 Meter über das Meer erheben und von einem großen Nationalpark umgeben sind. Auf rund 700 Meter, einem Raubvogelnest gleich, schmiegt sich eine zum katalanischen National-Heiligtum erhobene Klosteranlage in den Fels, das Kloster Montserrat mit seiner schwarzen, eigentlichen braunen Madonna und dem Wunderwasser, seit Jahrhunderten Anlaufstelle katholischer Pilger und Pflichttermin für Touristen.
Über 1000 Jahre wurde hier gebaut: Klöster, ein Kathedrale, Einsiedeleien, Herbergen. Napoleon zerstörte 1811, nach langen Kämpfen so gut wie alles Alte, es dauerte mehr als ein halbes Jahrhundert bis zum Wiederaufbau.
Die schwarze Madonna, die “Virgen de Montserrat”, volkstümlich eine “kleine Braune”, “La Moreneta” genannt, sollen Hirten hier vor rund tausend Jahren in einer Höhle gefunden haben, waren aber nicht fähig sie weiter als bis zu diesem Plateau zu schleppen, womit die Statue kundtat, wo sie verehrt zu werden wünscht. Die Benedektiner übernahmen dann die In-Szene-Setzung, später datierten Historiker die Entstehung der Skulptur auf einige Jahrzehnte nach ihrer “Entdeckung”, aber solcherlei profaner Kleinkram stört Gläubige und ihre Funktionäre bekanntermaßen nicht.
Andere Legenden berichten, dass irgendwo in diesem Gebirge auch der Heilige Gral versteckt sein könnte und Wagner wuchtete, so sagt man, seinen Parsifal in diese Gegend. Noch heute befehlen die Reiseführer den Entdeckungsfreudigen, sich vor der Kirche wie ein Gral zu formen, um dessen Sendung empfangen zu können. Die Touris halten sich brav daran.
Zum Nationalheiligtum stieg Montserrat auf, nachdem es Napoleon zum Opfer fiel, der hier kaum einen Stein auf dem anderen ließ, aus Wut darüber, dass die Spanier seinen Bruder perdu nicht als König haben wollten. Im spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 versteckten sich hier oben Republikaner, Klosterbürder richteten ein Lazarett ein. Dikator und Schlächter Franco, der das Katalanische wie jede Regionalsprache und -kultur verbot und sogar eigene Bischöfe einsetzte, rührte Montserrat und sein Personal wohlweislich nicht an. Hier wurde bald wieder auf Katalanisch gepredigt, sogar Schriften in dieser Sprache herausgegeben, Widerständler versteckt.
Die Anlage wurde so endgültig zum Symbol der katalanischen Unabhängigkeit, auch wenn sich Begriffe wie Selbstbestimmung und Emanzipation mit den Grundsätzen des Katholizismus eigentlich beißen. Es ging der Kirche in diesem Kampf auch nicht um die Befreiung des Menschen vom Joch und obrigkeitsorientierten Ordnungen, es ging um ihre Vorherrschaft im ewigen “Spiel der Macht”, die der spanische Klerus Gestern wie Heute mehr als viele andere Landeskirchen beansprucht. So kommt es, dass ein Herrschaftsmonopol auch einmal Schrecklicheres verhindern half.
Die Reise in das “Vorküstengebirge” gelingt nicht nur mit dem Auto, sondern auch mit der Eisenbahn, dann mit einer Zahnradbahn und - wer ganz hoch hinaus will - am Ende mit einer Seilbahn. Der Weg führt durch üppig grüne Landschaften mit Weinbergen, Orten, denen die Armut ihrer Bewohner ins Gesicht gefurcht ist, ein paar alte Fabriken, viele geschlossen. Heruntergekommene Gehöfte wechseln sich mit gepflegten Sommerresidenzen ab.
Die Idylle trügt, man darf hier nicht darauf hoffen, dem Menschengewimmel Barcelonas entrinnen zu können, denn neben Legionen von Touristen, wälzen sich auch Tausende Einheimische durch die “Heiligen Berge”.
Das Hauptplateau mit den an die Felsen geschmiegten Klostergebäuden. Sie verströmen einen Charme, der irgendwo zwischen Escorial und Reichsluftfahrtsministerium siedelt. Auf der Straße davor bieten Händler und Bauern lokale Spezialitäten feil: Honig, Käse, Schinken, Würste, Wein, Süßigkeiten, Gesticktes und Getöpfertes. Die Preise sind höher als im Tal.
Wander-, Kreuz und Schleichwege schlängeln sich durch dichtes Gestrüpp, werden gesäumt von Heiligenstatuen.
Unvermeidlich mussten sich auch Ungarn hier verewigen und ihrer “Istenanya”, Gottesmutter, einen Ruheplatz widmen.
Die zerklüfteten Sandsteinformationen, dazwischen kleine Kapellen und botanische Arrangements. Wer Hitze und Kletterei verkraftet, hat manchmal sogar die Chance auf Einsamkeit, auf grandiose Aus- und Durchblicke ohnehin.
Pittoreske Szenerien in einem der Höfe der Klosteranlage, die heute noch rund 70 Mönche beherbergt.
Im Innenhof des Klosters, rechts die Eingangsfassade zur Kathedrale, daran finden wir die Reliefs der Zwölf Apostel. Es ist Usus sich mit kelchartig geöffneten Armen in die Mitte des Hofes zu platzieren und mit geschlossenen, gen Himmel gerichteten Augen einen Wunsch an den Allergrößten zu richten. Ob die Wünsche in Erfüllung gehen? Das Fotomotiv ist jedenfalls sicher.
Im Innern der Kathedrale, die schwer goldverkleidet ist, rechts sieht man die nie endende Schlange derjenigen, die der Moreneta huldigen wollen. Am Ausgang füllt man sich dann wunderheiliges Wasser ab.
Gelitten wird im spanischen Katholizismus immer besonders naturalistisch. Hier die Pietá eines unerkannten Meisters. Auf dem Gelände befinden sich außerdem noch ein archäologisches Museum und die Gemäldesammlung des Klosters mit El Greco und anderen Größen der Malkunst.
Aufgrund der umfangreichen Zerstörungen Anfang des 19. Jahrhunderts ist nur noch schwer auszumachen, welche Teile der Architektur ihr Alter nur vorgaukeln und was noch original ist. Hinter diesen Mauern gibt es eine Bibliothek mit über 200.000 Bänden, darunter viele mittelalterliche Handschriften und eines der berühmtesten Gesangsbücher der Christenheit.
Wie war das mit der Kirche der Armen? Auf dem Montserrat zu heiraten, ist das Non-Plus-Ultra der katalanischen Schickeria, der Aufwand dem Ort zwar nicht entsprechend, aber wohl dem Anspruch der Feiernden.
Tollende Kinder sind sonst eher nicht der häufigste Anblick am Portal des Klosters, eher schon schleppen sich viele Alte über die Stufen zur Moreneta.
Neben dem Hauptkloster gibt es Hotels und Herbergen sowie genau ein erträgliches Restaurant. Die Gastronomie für die Massen ist genauso eine Katastrophe wie überall in der Welt, eine riesige Selbstbedienungskantine, ein “Bistro” und ein Dutzend Automaten füttern die Massen. Ein Deutscher Reisender, der in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts noch das zerstörte Montserrat beschreiben musste, klagte schon damals über die “allererbärmlichsten” Karikaturen von Gasthäusern. Daran hat sich nicht viel geändert.
ms., 2013
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