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Österreich

 

Vergessen Sie Schönbrunn!
Ein Ausflug nach Laxenburg am Wienerwald, dem Sanssouci der Habsburger

Vergessen Sie Schönbrunn! Es sei denn, sie wollen unbedingt sehen, wie man aus 88 biederen Gartenhäuschen mit grünlackierten Fensterläden ein Schloß zu basteln versucht hat. Oder treibt Sie eine bestimmte Neigung dazu eine halbe Stunde im Gänsetritt von einem der größten Busparkplätze der Welt zu tippeln um zusammengekuschelt mit Horden aus Japan und aller Herren Ländern ein paar alte Schinken und fette Vorhänge zu betrachten?

Das Schloss Laxenburg aus der Mitte des 18. Jh.

Südlich von Wien, gleich nach Biedermannsdorf (!) gelangt man mit dem Postbus, der schon mit Motorkraft betrieben wird, nach Laxenburg, das so etwas wie Habsburgs Sanssouci hätte werden können, wenn die Leichtigkeit des Seins irgendwann im schwerstkatholischen Herrscherhaus einen Platz erhalten hätte. Es diente mehr als 700 Jahre den Habsburgischen Herzogen und ihren Haberern als Jagdgrund und mitunter auch als Fechtplatz für diverse interne Streitigkeiten. Später dann nach Landaufkäufen, Familienbereinigungen und Umgestaltungen wurde die weitläufige Waldregion am Rande des Wienerwalds der kaiserlischen Familie privates Rückzugsgebiet, Refugium und Kleingartensparte. Zuerst baute Herzog Albrecht III. das kleine vorhanden Schloß zum echten Adelssitz aus, man sieht an dem Gebäude heute noch renaissancene Innenhöfe und das burgige eines Wehrsitzes. Eine regere Bautätigkeit setzte dann nach 1683 ein, als die zweite Türkenbelagerung überstanden war.

Das alte, burgähnliche Schloss mit Grundmauern aus der Frührenaissance

Kurz nach dem der Alte Fritz und Widersacher Mitte des 18. Jahrhunderts in Potsdam sein Schmuckkästchen von einem Rokkokoschloß, sein Sanssouci fertiggestellt hatte, trug man die Kunde von der fast bescheidenen Eleganz des Bauwerks an das Ohr der eher bieder-rustikal und schwer katholisch veranlagten Maria Theresia, die sich noch auf Schloss Favorita erholte, einem zwar hübschen aber doch irgendwie ungemütlichen Kasten, der durchaus zu der Frage berechtigte, warum sie dann nicht gleich in der Hofburg geblieben ist. Das Schloß lag nur ein paar Schritte vor der Stadt, heute mittendrin und ist Namensgeber des Favoriten-Bezirks, des Zehnten.

Maria liess, nach zwei verlorenen Schlesischen Kriegen, ab 1753 ein Rokkokoschloß bauen, dazu ein paar Wirtschaftstrakte, ein kleines Theater und vor allem eine wunderbar weitläufige englische Parkanlage und der Besucher staunt nicht schlecht, wieviel architektonischer Geschmack zuweilen auch im Hause Habsburg herrschen konnte. Nichts von der Klotzigkeit Schönbrunns, nichts vom Größenwahn der neueren Hofburg. Hatten die schlesischen Kriege also doch einen Sinn? Kein Schwulstbarok, keine imperialen Steinhaufen, menschliche Dimensionen, Landschaftsbau, fast so etwas wie aufklärerische Weite, ja, fast: wäre da nicht mitten im Park, auf einem Teich die Franzensburg. Ein ganz ein schlimmer Rückfall des gleichnamigen Franz I., der sich und seine Familie bis heute mit dieser ab 1798 errichteten pseudoritterromantischen Inselbebauung blamiert, die immerhin in den Innenräumen echt gotisches Mobiliar und Einbauten enthält, und für Besucher zugänglich ist. Man kann es für Österreich nur immer wieder betrauern, daß Joseph II. nicht länger bleiben konnte...

Die historistische Franzensburg auf einer Insel im hinteren Teil des Parks

Das Theresianische Schloß wird derweilen heute von irgendwelchen Consultern gemietet, die mit Schulungen und Seminaren offenbar gutes Geld verdienen. „Events“ sind möglich, von Hochzeiten über Antiquitätenmessen bis Oldtimerschauen nutzt man das gar edle Ambiente.

Früher wurde hier Politik betrieben, so schloß man 1682 die „Laxenburger Allianz“ zwischen dem Kaiser und einigen deutschen Reichsfürsten gegen den französischen König Ludwig XIV. 1725 unterzeichnete Karl VI. in Laxenburg die sogenannte „Pragmatische Sanktion“, die seiner Tochter Maria Theresia die weibliche und damit Habsburg die Thronfolge sicherte und in der Folge den Beginn der Ära Habsburg-Lothringen nach sich zog, allerdings auch die Schlesischen Kriege, weil der ausgekochte Fritz in Preußen ein paar alte Zettel aus den Archiven kramte, die seinem Land bei nichtmännlicher Nachfolge in Habsburg uralte Ansprüche auf einige schlesische Provinzen nachwiesen. Sisis Sohn, Kronprinz Rudolf, ward eben hier geboren, und ab 1842 hatte der Ort Laxenburg einen Kaiserbahnhof, in dem man heute noch sehr gut speisen kann.

Pavillions, Skulpturen, ein Turnierplatz und jede Menge Natur, der Schlosspark Laxenburg

Im Jahre 1917 trifft Karl I., letzter Kaiser, sich hier zu Geheimverahndlungen und bricht durch ungelenke und indiskrete Friedensgespräche mit den Prinzen von Bourboun-Parma die sogenannte „Sixtus“-Affäre vom Gartenzaun. Seine Unfähigkeiten werden ihm später die Seligsprechung einbringen. Seit 1919 verfielen die Anlagen mehr oder weniger, dienten von 1939 bis Kriegsende den „Ostmark-Werken“ als Flugmotorenfabrik und wurden danach von der Roten Armee behaust. Seit 1962 renovierte und restaurierte man in großer Initiative Park und Schloßanlagen wieder und bietet dem Wiener und natürlich den Besuchern nicht nur ein wunderschönes, noch nicht so überlaufenes Ausflugsziel vor den Toren der Hauptstadt, sondern auch ein wenig peripheren Geschichtsunterricht.

Jetzt im Frühling finden sich wieder Jogger und Nordic Walker ein, verlaufen sich aber schnell und unauffällig in den kilometerlangen Wegen, zwischen denen man hie und da noch ein paar Reste der alten Gartenbaukunst entdeckt, ein Teehäuschen hier, ein Concordia-Tempel zum Atemholen für die Damen da, die Ruinen des Eiskellers am Alten Schloß sind einsturzgefährdet. Vielleicht lagern in ihm noch ein paar Fäßchen alten Weins? Richtig schön wirds in Laxenburg, wie überall, wenn es wieder grünt und blüht, und am schönsten ist es hier ohnehin nur in Begleitung. Der Eintritt kostet ein paar Euro, Fahrradfahren ist verboten, Sichaufhändentragenlassen nicht.

Weitere Infos: www.laxenburg.at
www.schloss-laxenburg.at

 

 

 


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